Ich habe heute wegen eines Basic Thinking-Artikels über einen neuen Bewertungs-Dienst namens Oink darüber nachgedacht, was diese ganze Bewerterei eigentlich für den Alltag bedeutet.
Mittlerweile kann man im Internet so ziemlich alles bewerten: Produkte, Arbeitgeber, Hotels, Ärzte und noch viel mehr.
Ich nutze solche Bewertungen recht gerne, gerade wenn ich mich erst einmal orientieren will.
Ehrlicherweise muss ich jedoch zugeben: Wirklich objektiv sind solche Bewertungen nicht.
Nutzerbewertungen sind umstritten
Es gibt viele Gründe, warum Nutzerbewertungen eher so etwas wie „Bauchgefühl 2.0“ sind als wirklich objektive Ratgeber. Die wichtigsten:
- Gefälschte Bewertungen: Wenn ein Autor einfach mal ein paar gute Freunde und seine Familie sein Buch bewerten lässt, dann sieht man das als Außenstehender nicht unbedingt – aber objektiv ist das sicher nicht.
- Verzerrte Beteiligung: Die meisten Leute bewerten Dinge, die sie richtig toll oder total schlecht finden – wenn etwas ganz ok war, dann bewerten viele nicht. Außerdem bewerten manche Leute mehr als andere. Eine repräsentative Bewertung sieht anders aus.
- Mangelndes Urteilsvermögen: Manche Leute bewerten etwas, das sie gar nicht korrekt bewerten können. Wer kann als Laie schon beurteilen, ob ein Arzt wirklich schlecht behandelt hat – oder vielleicht doch nur unfreundlich war? Auch bei weit weniger komplizierten Dingen kann man sich irren: An dieser Amazon-Bewertung zu einem simplen Adapter sieht man beispielsweise, dass der Kritiker schlicht das völlig falsche Teil bestellt hat – und deswegen schlecht bewertet.
Sind Nutzerbewertungen damit völlig unbrauchbar? Ich würde da nicht zustimmen – denn wenn ich überlege, wie ich ohne Bewertungen Entscheidungen treffen würde, dann ist das nicht unbedingt besser.
Wie würde ich beispielsweise einen neuen Hausarzt finden, wenn ich in eine neue Stadt ziehe – ohne Bewertungen zu nutzen? Vielleicht würde ich mir die gelben Seiten vornehmen und mir einen Arzt in der Nähe aussuchen. Vielleicht würde ich meinen Nachbarn fragen oder einen Arbeitskollegen. Vielleicht würde auch einfach durch die Gegend laufen und nach Arztschildern auf Häusern Ausschau halten.
Natürlich geht das – aber viel genauer ist das auch nicht. Zwar kann ich bei einem Nachbarn oder einem Arbeitskollegen davon ausgehen, dass sie mich nicht bewusst täuschen werden. Wirklich mehr Ahnung als der durchschnittliche Internetnutzer werden sie aber auch nicht haben.
Und auf wen sollte ich überhaupt hören? Die 70jährige, die mehr Zeit bei ihrem Hausarzt als mit ihren Enkeln verbringt? Oder auf den kerngesunden, sportlichen 35jährigen, der nur alle 2 Jahre mal wegen einer leichten Grippe zum Arzt geht?
Natürlich muss man wissen, dass Bewertungen nicht immer 100% zutreffend sind. Natürlich sollte man misstrauisch sein, wenn eine Bewertung überschwänglich und komplett unkritisch positiv ist.
Dennoch sind mir Bewertungen deutlich lieber als nur die nackten Informationen. Auch subjektive Eindrücke helfen mir, bessere Entscheidungen zu treffen – auch wenn sie ihre Tücken haben.
Ich würde sogar noch weiter gehen: Genau wie eBay, Amazon & Co ganz selbstverständlich und automatisch dazu auffordern, nach einem Kauf das Produkt zu bewerten, könnte das mein Hausarzt, mein Lieblingsrestaurant oder meine Lieblingsbar das doch auch tun. Ein kleines Schild auf der Theke oder ein freundlicher Hinweis des Personals kann schon reichen. Die Infrastruktur dafür ist da.
Eine interessante Frage ist dabei, warum das nicht schon längst viel mehr getan wird. Wissen kleine Unternehmen einfach zu wenig über die Möglichkeiten des Internet? Haben sie zu viel Angst vor negativen Bewertungen? Oder sind Bewertungen aus ihrer Sicht irrelevant?
all hyip monitor
Bauchgefühl 2.0 | Permanentes Provisorium
Trackback by all hyip monitor — 6. November 2015 @ 04:57